Zur Vertiefung: Krankensalbung - Heilender und tröstender Zuspruch

"Muss ich dann sterben?" fragte mich vor längerer Zeit ein älteres Gemeindemitglied, dem ich bei einem Hausbesuch vorgeschlagen hatte, das Sakrament der Krankensalbung zu empfangen angesichts zunehmender krankheitsbedingter Schwäche. Solche Bedenken kann man öfters antreffen: Wenn der Pfarrer kommt, muss es ja wohl auf den Tod zugehen.


Natürlich wird man mit vielen guten Gründen erklären, warum die Krankensalbung keineswegs ein Signal des kommenden Todes ist; und die Erfahrung zeigt, das kranke Menschen nach dem Empfang der Krankensalbung oft ruhig und zufrieden werden angesichts des so deutlich gezeigten Weggeleits Jesu Christi, das dem Kranken durch die Kirche zugesprochen wird. Aber bei vielen schwingt noch die Vorstellung einer "Letzten Ölung" mit; und es ist schwer, solche tiefsitzenden Bedenken zu zerstreuen. Früher war es ja tatsächlich das "Allerletzte", wenn dem Kranken die "Letzte Ölung" gespendet wurde.
Die Bibel spricht eine andere Sprache; im 5. Kapitel des Jakobus-Briefes steht: "Ist einer krank unter euch? Dann rufe er die Ältesten der Gemeinde zu sich; sie sollen Gebete über ihn sprechen und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben. Das gläubige Gebet wird den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufrichten; wenn er Sünden begannen hat, werden sie ihm vergeben werden."


Auch wenn wir kein ausdrückliches Einsetzungswort Jesu für die Krankensalbung kennen, wird an dieser neutestamentlichen Bibelstelle deutlich, dass dieses Heilszeichen der Kirche schon sehr früh an den Kranken praktiziert wurde; die Presbyter der Gemeinde salbten den Kranken unter Gebet mit dem Öl.


Auch die Spendeformel der Krankensalbung spricht nicht vom bevorstehenden Tod, sondern von Sündenvergebung, Aufrichtung und göttlicher Hilfe: "Durch diese heilige Salbung helfe dir der Herr in seinem reichen Erbarmen, er stehe dir bei mit der Kraft des Heiligen Geistes. Der Herr, der dich von Sünden befreit, rette dich, in seiner Gnade richte er dich auf. Amen."


Daran wird übrigens deutlich, dass Krankheit als ein Defizit empfunden wird, das den ganzen Menschen betrifft, nicht nur seinen Leib. Deshalb ist das Sakrament so überaus sinnvoll, wenn es dem, der krank ist, gespendet wird, nicht erst dem, der unmittelbar vor dem Tod steht. Dass man einem Verstorbenen kein Sakrament spenden kann, auch wenn das die Angehörigen wünschen, ist selbstverständlich.


Manche Gemeinden haben in den letzten Jahrzehnten die Krankensalbung in den Rahmen einer liturgischen Feier, zumeist in den Verlauf einer Eucharistiefeier, verlegt; damit wird deutlich, dass die Salbung kein privater Akt ist, sondern ein Sakrament, das in das Leben der Kirche eingebunden ist. Das gilt heute mehr und mehr auch von anderen Sakramenten, die nach einer langen Zeit der "Privatisierung" wieder in das Leben der Gemeinde einbezogen sind, wie etwa Taufe und kirchliche Eheschließung.


Und so ist es auch bei der Krankensalbung sinnvoll, die Kranken in den Gottesdienst einzuladen und ihnen in der Eucharistiefeier der ganzen Gemeinde die sakramentale Salbung mit dem heiligen Öl zu spenden. Kaum ein Lebensvollzug der Kirche hat seinen inneren Sinn in wenigen Jahrzehnten so verändert wie das Krankensakrament: von der Letzten Ölung der Sterbenden zum heilenden und tröstenden Zuspruch an kranke Menschen - im Zeichen geweihter Salbe!

 


Medientipp:
Ulrich Zurkuhlen
Glaube im Wandel; 60 Schlüsselbegriffe erklärt
Kevelaer, Butzon und Bercker; Münster, Dialogverlag 1999
ISBN 3-933144-20-5


Text: Ulrich Zurkuhlen, Kirche+Leben